Über das Vorhaben
Ziele | Zugänge | Geschichte | Zitierweise | Hinweise zur Nutzung
Schriftzeugnisse sind – wie z. B. Kunst- und Bauwerke – integrale Teile des Kulturguts, dessen Bewahrung, Erschließung und Bereitstellung zentrale gesellschaftliche Aufgaben sind. Das Wissen über die Vergangenheit beruht vornehmlich auf Texten, die mehr oder weniger zufällig der Vernichtung entgangen sind. Die Aufzeichnungen bewahren das Wissen, den Glauben, die Erzählungen, die Visionen und Träume der Menschen. Sie geben Zeugnis von vergangenen Ordnungsvorstellungen des Lebens. Sie sind ein Magazin des kulturellen Gedächtnisses.
Im Mittelalter wird hauptsächlich Latein geschrieben. Doch schon in der karolingischen Epoche, jedoch mit gewaltiger Dynamik erst im Hochmittelalter entdecken auch die Laien die Vorteile von Schrift und Buch für sich. Man kann Wissen fixieren, kann Botschaften, Verträge, Rechtssätze, Propaganda, aber auch 'schöne Geschichten' über weite Entfernungen transportieren und jeweils immer wieder neu lesen und hören.
Die vielen Tausend erhaltenen, mittlerweile über die ganze Welt verstreuten volkssprachigen Bücher - häufig sind es freilich nur noch kümmerliche Reste, Schnipsel, Fetzen - zu erfassen, zu identifizieren und zu beschreiben, hat sich der Handschriftencensus zum Ziel gesetzt. Er sichert damit einen wesentlichen Teil unseres kulturellen Erbes und bietet gleichzeitig ein wichtiges Fundament zum Verständnis der Vormoderne.
Bei Abschluss des Vorhabens werden weltweit alle handschriftlich überlieferten deutschsprachigen Textzeugen des Mittelalters qualifiziert und mit anerkannten Methoden erfasst sein. Diese vielleicht zu Projektende einmal rund 30.000 Handschriften liegen in mehr als 1.500 Bibliotheken, Sammlungen und Archiven v. a. in Europa und Nordamerika verstreut. Für den größten Teil der Handschriften und Werke müssen grundlegende Daten erst erhoben werden.
Um die gewaltige Fülle des Materials bewältigen zu können, erfolgt die Arbeit in enger Absprache mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern. Die Erträge werden in einer frei zugänglichen Online-Datenbank zur Verfügung gestellt. Als dynamische Ressource ist eine laufende Aktualisierung und Gestaltung der Daten und Benutzeroberflächen sowie eine vielfältige Vernetzung mit weiteren relevanten Informationen gewährleistet. Dies alles ist unverzichtbar, weil die Erforschung der mittelalterlichen Texte und ihrer handschriftlichen Träger in ständigem Fluss ist. Der Handschriftencensus versteht sich zugleich als Forschungsinstrument, Forschungsplattform, Normierungsinstanz und Clearing-Stelle.
Seit 2017 ist der Handschriftencensus ein von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz gefördertes Vorhaben.
Ziele
Der 'Handschriftencensus' hat sich zum Ziel gesetzt, das gesamte deutschsprachige Handschriftenerbe des Mittelalters systematisch zu erfassen. Es handelt sich um aktuell ca. 26.000 Handschriften und Fragmente aus der Zeit von etwa 750 bis um 1520, die weltweit in mehr als 1.500 Bibliotheken, Sammlungen und Archiven verstreut und häufig sogar in einzelne Blätter zerlegt an verschiedenen Orten aufbewahrt werden.
Da ein Gesamtverzeichnis der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters nur sukzessive erarbeitet werden kann, ist der Datenbestand des Handschriftencensus naturgemäß heterogen: Er reicht von vollständigen Einträgen bis hin zu Minimaleinträgen. Für die Aktualisierung und Ergänzung der Einträge wie auch für Hinweise auf bisher nicht berücksichtigte Handschriften ist die Arbeitsgruppe auf Ihre Mithilfe angewiesen. Wir sind dankbar für Hinweise in folgenden Bereichen: neue oder bisher unbekannte Textzeugen, einschlägige Literatur, Hinweise auf Abbildungen. Bitte nutzen Sie dazu das Mitteilungsfeld unter jeder Handschriftenbeschreibung. Sollte eine Handschrift bisher überhaupt nicht berücksichtigt sein, wenden Sie sich bitte an handschriftencensus@adwmainz.de.
Zugänge
Der Zugang zur Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters ist möglich über ein Gesamtverzeichnis Aufbewahrungsorte oder das Gesamtverzeichnis Werke. Die Forschungsliteratur zu deutschsprachigen Handschriften des Mittelalters versammelt sämtliche in den Handschriftenbeschreibungen aufgeführten Literaturangaben sowie Handschriftenkataloge und -verzeichnisse.
Das Gesamtverzeichnis Aufbewahrungsorte listet - nach den heutigen bzw. den zuletzt bekannten Aufbewahrungsorten sortiert - alle bisher erfassten Textzeugen auf, über die Informationen in der Datenbank vorliegen; in Privatbesitz befindliche Stücke stehen am Ende des Alphabets. Die Liste kann auch nach Ländern sortiert werden.
Das Gesamtverzeichnis Personen listet neben deutschsprachigen Autoren, Übersetzern, Schreibern und Bearbeitern auch die Verfasser lateinischer Vorlagen auf, sofern Übersetzungen davon erhalten sind. Die jeweilige Übersicht bietet die der Person zugeordneten Elemente.
Das Gesamtverzeichnis Werke, das sich bei den Ansetzungen an die 2. Auflage des Verfasserlexikons anlehnt, fasst überblickhaft die einschlägigen Textzeugen und deren aktuelle Aufbewahrungsorte und Signaturen zusammen. Die Anordnung innerhalb der Überlieferungszusammenstellungen erfolgt in der alphabetischen Reihenfolge der heutigen bzw. der zuletzt bekannten Aufbewahrungsorte; in Privatbesitz befindliche Stücke stehen am Ende des Alphabets. - Zusammengehörige, aber an verschiedenen Bibliotheksorten bzw. unter verschiedenen Signaturen aufbewahrte Stücke der gleichen Handschrift werden nur an einer Stelle aufgeführt und mit "Discissus ... usw." gekennzeichnet.
Innerhalb dieser Verzeichnisse werden die (mehr oder weniger) vollständigen Codices mit vorangestelltem ■ markiert, die Fragmente mit □ und sonstige Überlieferungsformen (Rollen, Einzelblätter usw.) mit ○.
Im Anschluss an die Überlieferungszusammenstellung sind Editionen und Abdrucke aufgeführt. Diese haben in der Regel 'Hinweis'-Charakter ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Neben den einschlägigen Editionen sollen vorrangig die seit Fertigstellung des 'Verfasserlexikons' erschienenen Textausgaben zusammengestellt werden. Auf in Vorbereitung befindliche Editionsvorhaben wird mit einem weiterführenden Link (Siehe auch Editionsbericht) verwiesen. Anhand des Hinweises 'Ausgaben' im Anschluss an die Zahl der Überlieferungszeugen kann im 'Gesamtverzeichnis Werke' auf den ersten Blick festgestellt werden, ob 'Ausgaben' zu einem bestimmten Werk bereits verzeichnet wurden.
Die Datenbank Forschungsliteratur zu deutschsprachigen Handschriften des Mittelalters bietet ein durchsuchbares, kumuliertes Gesamtverzeichnis aller bei den Einzelbeschreibungen des Handschriftencensus zitierten Literaturangaben. Neben der Suchmaske zur Auswahl bestimmter Einträge stehen als weitere Anzeigemöglichkeiten eine Gesamtliste aller Einträge, eine Liste aller in die Datenbank aufgenommenen Neuerscheinungen des laufenden und vergangenen Jahres sowie – über einen eigenen Menüpunkt – eine Auswahlliste 'Handschriftenkataloge und -verzeichnisse' zur Verfügung. Von jedem bibliographischen Eintrag aus können über Links alle Handschriftenbeschreibungen angezeigt werden, bei denen die gewählte Publikation zitiert wird. Die Datenbank, die derzeit mehr als 19.500 überprüfte und vereinheitlichte Einträge umfasst (Stand: Juni 2020), wird ständig erweitert und aktualisiert. Der Editionsbericht verzeichnet Projekte, bei denen zukünftig Neu- und Erstausgaben von mittelalterlichen deutschen Texten entstehen werden.
Geschichte
Die Arbeitsgruppe "Handschriftencensus" ist 2006 als Verbund von Forschern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet worden und arbeitete bis zur Bewilligung des Akademieprojekts 'ehrenamtlich'. Der HSC ist hervorgegangen aus den DFG-geförderten Marburger Repertorium deutschsprachiger Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts. Seit 2007 wird er ergänzt um die ähnlich strukturierten Beschreibungen der deutschsprachigen Handschriften bis 1200 im Paderborner Repertorium der deutschsprachigen Textüberlieferung des 8. bis 12. Jahrhunderts. Assoziiert sind zudem das Freidank-Repertorium und das Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus.
Zitierweise
Überlieferungszusammenstellungen und andere Informationen aus dem Handschriftencensus sollten zitiert werden mit "Handschriftencensus (https://handschriftencensus.de)" unter Beifügung der Datumsangabe des Eintrags und gegebenenfalls des Namens des Bearbeiters/der Bearbeiterin.
» Grundlagen der guten wissenschaftlichen Praxis im HandschriftencensusHinweise zur Nutzung
Die Beschreibungen im Handschriftencensus folgen einem festen Schema.
Vermerkt werden in jeweils eigenen Informationsfeldern:
- Aufbewahrungsort mit Signatur
- Manuskriptform (Codex bzw. Fragment [eines Codex], Rolle bzw. Fragment einer Rolle) und Umfang
- Beschreibstoff (Pergament/Papier)
- Inhalt (Autorennamen und Titel soweit möglich nach der 2. Auflage des ‘Verfasserlexikons’)
- Blattgröße / Schriftraum / Spaltenzahl / Zeilenzahl
Sind bei Blattgröße, Schriftraum, Spaltenzahl und Zeilenzahl ursprüngliche Angaben nicht erhalten, so werden sie, wenn möglich, erschlossen oder es werden die Ist-Zustände angegeben (vgl. Abkürzungsverzeichnis) - Strophengestaltung ggf. Strophen (abgesetzt / nicht abgesetzt)
- Versgestaltung ggf. Verse (abgesetzt / nicht abgesetzt)
- ggf. Besonderheiten (z.B. Illustrationen, Musiknotation, Schreiber)
- Entstehungszeit (mit Verweis auf Forschungsliteratur, wenn die Information nach Überprüfung aus dieser übernommen werden konnte)
- Schreibsprache (mit Verweis auf Forschungsliteratur, wenn die Information nach Überprüfung aus dieser übernommen werden konnte)
- ggf. Schreibort (hier auch Hinweise zu Schreiberidentitäten / Skriptoriumsgemeinschaften)
- Abbildungen (Verweis auf Abbildungen in der Literatur bzw. im Internet)
- kodikologische Literatur (in Einzelfällen nur in Auswahl)
- Archivbeschreibung
Hinweis auf die bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften archivierten handschriftlichen Beschreibungen, die im Auftrag der ehem. Preußischen Akademie der Wissenschaften angefertigt wurden.
Eine Übersicht häufiger im Handschriftencensus vorkommender Abkürzungen findet sich im Abkürzungsverzeichnis.